Sonnenstrom für die Zukunft
Wie ein Ausbildungszentrum in Äthiopien zum Vorbild für nachhaltige Energieversorgung wird
In Äthiopiens ländlichen Regionen bleibt der Zugang zu Strom eine tägliche Herausforderung – besonders für Schulen und öffentliche Einrichtungen. Instabile Netze, teure Dieselgeneratoren und der Einsatz gesundheits-schädlicher Energiequellen wie Kerosin oder Holz erschweren den Alltag erheblich.
In Meki, südlich von Addis Abeba, setzt ein innovatives Projekt ein Zeichen: Auf dem Gelände eines Ausbildungszentrums und Gästehauses der Caritas Meki wurde eine industrielle Photovoltaik-Anlage installiert, die inzwischen den Großteil des Energiebedarfs zuverlässig und kosteneffizient deckt. Die neue Anlage schützt vor Spannungsschwankungen, senkt Betriebskosten und ermöglicht einen störungsfreien Ausbildungsbetrieb. Gleichzeitig dient sie als Lernplattform für nachhaltige Energieversorgung – dank gezieltem Wissenstransfer durch lokale Fachkräfte und internationale Expert*innen.
Manuel Seifriedsberger, technischer Projektleiter vom Beschaffungsbetrieb der MIVA, war für die Umsetzung vor Ort verantwortlich. Im folgenden Artikel gibt er Einblicke in die Hintergründe, technischen Details und die Bedeutung des Projekts für die Region.
Photovoltaik als Gamechanger
In Äthiopien leben über 80 % der rund 125 Millionen Menschen in ländlichen Regionen – meist ohne Anschluss an das Stromnetz. Stattdessen ist die Bevölkerung stark auf Biomasse wie Brennholz und Holzkohle angewiesen, was zu massiver Abholzung, Bodenerosion und erheblichen Umweltschäden führt. Über 90 % des Energiebedarfs werden so gedeckt. Auch zur Beleuchtung kommen häufig gesundheitsschädliche Kerosinlampen oder offene Feuerstellen zum Einsatz. Trotz großer Investitionen in Wasserkraft – allen voran der Bau des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) am Blauen Nil, dem größten Wasserkraftprojekt Afrikas – bleibt die ländliche Stromversorgung unzureichend, da ein erheblicher Teil des in diesem Kraftwerk erzeugten Stroms exportiert wird, um Devisen zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund gewinnen Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) stark an Bedeutung: Sie bieten eine dezentrale, saubere und unabhängige Energiequelle. PV-Systeme können Haushalte, Schulen und Gesundheitszentren zuverlässig mit Strom versorgen, die Abhängigkeit von Kerosin und Biomasse verringern und damit Gesundheitsrisiken sowie Umweltbelastungen reduzieren. Gleichzeitig stärken sie die wirtschaftliche Entwicklung in einkommensschwachen Regionen.
Die Caritas Meki verfolgt einen ganzheitlichen ökologischen Ansatz, der neben alternativen Energieversorgungssystemen auch Energiesparmaßnahmen, ökologische Sanitärlösungen wie Kompost- und Trenntoiletten, Abwasserreinigung und biologische Kreisläufe umfasst. Ziel ist es, schrittweise ein internationales Niveau im Einsatz erneuerbarer Energien – etwa durch moderne PV-Systeme – zu erreichen.
Bereits vor zwei Jahren wurden zwei mittlere Photovoltaikanlagen für die Grundschule und die Meki High School installiert – mit durchschlagendem Erfolg: Sie verbesserten die Unterrichtsbedingungen erheblich, senkten die laufenden Energiekosten und bewahrten empfindliche Technik vor Stromschäden. Dieser Erfolg bildete die Grundlage für den nächsten Entwicklungsschritt: den Umstieg von kommerziellen auf industrielle PV-Systeme – ein technischer Meilenstein, der erneut eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Photovoltaik und deren nachhaltiger Integration erforderte.
Manuel Seifriedsberger technischer Projektleiter beim Beschaffungsbetrieb der MIVA kurz (BBM) einem Non-Profit Dienstleister in der Entwicklungszusammenarbeit, installierte für uns in Meki die neue PV Anlage. Hier berichtet er von technisch notwendigen Arbeiten und Details:
In Äthiopien ist die Stromversorgung häufig unzuverlässig. Neben täglichen Stromausfällen – teils über mehrere Tage – treten starke Spannungsprobleme (170–280 V) sowie instabile oder umgekehrte Drehfelder auf. Diese Bedingungen gefährden elektrische Geräte, erschweren den Betrieb und verursachen hohe Folgekosten.
(Messung des äthiopischen Versorgungsnetzes in der Zeitspanne von 9Tage in Meki.
Deutlich sichtbaren Spannungseinbrüche unter Tags und sporadische Stromausfälle.)
Großverbraucher wie das Ausbildungszentrum und das Gästehaus in Meki stellen hohe Anforderungen an die Energieversorgung. Eine autarke, industrielle Photovoltaikanlage mit integrierter Speicherlösung wurde daher zur technischen Notwendigkeit, um eine stabile und netzunabhängige Stromversorgung zu gewährleisten. Die Anlage bietet zahlreiche Vorteile: einfache Bedienung, hohe Ausfallsicherheit, Überlastfähigkeit sowie robuste Industrieelektronik mit langjähriger Ersatzteilverfügbarkeit. Die deutlich höhere DC-Spannung von 480 V ermöglicht zudem eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit.
Mit dem Ausbau der Gebäude steigt auch der Strombedarf – deshalb ist die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) bereits für eine Erweiterung auf bis zu 120 kWp ausgelegt. Das System gewährleistet selbst bei schlechtem Wetter oder Netzausfall eine unterbrechungsfreie Versorgung: Es schaltet bei Bedarf automatisch auf Netzstrom um, gleicht Spannungsschwankungen elektronisch aus und aktiviert bei vollständigem Ausfall den Generator – dieser übernimmt kurzfristig die Versorgung und lädt gleichzeitig die Akkus im optimalen Wirkungsgrad. Diese intelligente Steuerung ist nur mit industriellen PV-Systemen realisierbar.
Schematische Darstellung der gelieferten Komponenten und speziell angefertigte Verteiler für das Projekt in Meki
Folgende technische Hauptkomponenten wurden installiert. Hier ein Überblick:
Der Eingangsverteiler mit automatischem Umschalter ermöglicht eine unterbrechungsfreie Stromversorgung durch nahtlose Umschaltung zwischen verschiedenen Energiequellen.
Die Industrie-USV Riello HBS 120 sichert die Stromversorgung durch Spannungsstabilisierung und schützt empfindliche Geräte vor Verlusten und Spitzen.
Die Cegasa Lithium-Batterie (134,4 kWh, 500 V DC) mit integriertem Batteriemanagementsystem (BMS) und umfassenden Sicherheitsvorkehrungen sorgt für eine effiziente und zuverlässige Energiespeicherung.
Der Ausgangsverteiler mit integrierten Verbrauchsmessungen ermöglicht eine präzise Überwachung und Kontrolle des Energieverbrauchs und trägt so zur effizienten Nutzung der Solarenergie bei.
Die drei Solarwechselrichter mit je 20 kWp Leistung wandeln die von den PV-Modulen erzeugte Gleichspannung in netzkonforme Wechselspannung um und gewährleisten eine hohe Energieeffizienz sowie volle Kompatibilität mit der bestehenden Infrastruktur.
Das ca. 60 kWp starke Solarsystem, inklusive Überspannungsschutz und Erdleitungen, sorgt für eine sichere und optimale Nutzung der Solarenergie.
Die Feldverteiler und Hausanschlusskästen sind mit Lasttrennschaltern und Überspannungsschutz ausgestattet und stellen eine zuverlässige Verbindung zwischen der Solaranlage und den angeschlossenen Verbrauchern sicher.
Ineffiziente Warmwasserboiler wurden durch hocheffiziente Wärmepumpen mit einem COP von 3,33 ersetzt. Sie senken den Stromverbrauch deutlich bei gleicher Leistung, sind dezentral installierbar, wartungsarm und passen sich automatisch an eine geringere Nutzung an – ideal für Einrichtungen mit wechselnder Belegung.
Ablauf der Installation:
Die Umsetzung begann mit einer detaillierten Planungsphase, in der der Energiebedarf analysiert, der Standort bewertet und ein technischer Installationsplan unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten erstellt wurde. Anschließend erfolgte die Lieferung aller Komponenten durch BBM.
Die Installationsphase stand ganz im Zeichen des Capacity Buildings: Der Aufbau und die Verkabelung der Solarmodule sowie die fachgerechte Montage und Inbetriebnahme von Wechselrichtern, Batterien, USV-Anlagen und Verteilern wurden gemeinsam mit lokalen Techniker*innen durchgeführt. Diese enge Zusammenarbeit diente nicht nur der fachlichen Umsetzung, sondern vor allem der gezielten Qualifizierung und Wissensvermittlung vor Ort. Durch die praktische Einbindung in alle Arbeitsschritte konnten die lokalen Fachkräfte wertvolle Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die langfristig die eigenständige Wartung und Weiterentwicklung der Anlage ermöglichen.
Auch die Endmontage der Hausanschlusskästen wurde durchgeführt, begleitet von Verbesserungen an bestehenden, teilweise veralteten Elektroinstallationen. Zum Abschluss erfolgte die Inbetriebnahme und Schulung. Alle Funktionen der Anlage wurden getestet und optimiert, während das lokale Fachpersonal praxisnah in Betrieb, Wartung und Sicherheitsaspekte der Anlage eingewiesen wurde.
Herausforderungen und Lösungen:
Die größte Herausforderung in diesem Projekt war sicher der Zoll, da Zollabwicklungen in Äthiopien generell eine Herausforderung darstellen. Durch die engagierte Abwicklung versierter Mitarbeiter*innen unserer Partnerorganisation MCS konnte auch diese Hürde gemeistert werden.
Der Import der industriellen PV-Anlage war notwendig, da vergleichbare Systeme in Äthiopien weder verfügbar noch zuverlässig lieferbar sind. Die technischen Anforderungen können jedoch nur durch international zertifizierte Komponenten erfüllt werden, die auch eine Garantie und langfristige Betriebssicherheit gewährleisten. Auch die sichere Lieferung und der Transport der Komponenten nach Meki erforderte eine sorgfältige Planung.
Um die Effizienz der Anlage zu maximieren, wurden spezifische technische Anpassungen vorgenommen, die den klimatischen Bedingungen vor Ort Rechnung tragen. Zum Beispiel gibt es für das Powerhouse eine eigene Klimaanlage, damit der allgegenwärtige Staub, aber auch Kleintiere, nicht in den Raum gelangen und so die Elektronik zerstören – Stichwort Kühlung, Kurzschluss usw.
Trotz des engen Zeitplans konnte durch die enge Zusammenarbeit mit einem erfahrenen lokalen Techniker, der bereits an früheren Projekten beteiligt war, ein reibungsloser Ablauf und nachhaltiger Wissenstransfer sichergestellt werden. Er übernahm gemeinsam mit dem Team vor Ort wichtige Nacharbeiten wie Anschlussarbeiten und das Verlegen der Solarpaneele. Parallel dazu wurde das lokale Personal in einem praxisorientierten Training in Betrieb und Wartung der Anlage geschult – eine Herausforderung angesichts begrenzter Zeit und unterschiedlicher Vorkenntnisse. Umso wichtiger ist der ergänzende Remote-Support per WhatsApp und Fernzugriff, der eine kontinuierliche Betreuung ermöglicht und die langfristige Funktionsfähigkeit der Anlage sichert.
Für mich zeigt dieses Projekt eindrucksvoll, wie nachhaltige Entwicklung und technische Innovation Hand in Hand einhergehen können.
Die Anlage liefert nicht nur saubere Energie, sondern steht auch als greifbares Beispiel dafür, wie Technologie gemeinsam mit lokalen Partnern installiert und Wissen zu Betrieb und Wartung vor Ort nachhaltig aufgebaut wird.
Im Zuge des Capacity Buildings wurde das Know-how aktiv an lokale Techniker*innen weitergegeben, sodass sie künftig in der Lage sind, die Anlage eigenständig zu bedienen und zu warten. Das Projekt demonstriert, was in Äthiopien möglich ist – und soll als Vorbild für zahlreiche weitere Initiativen in der Region dienen.
Manuel Seifriedsberger, BBM
2025
Fotos @Manuel Seifriedsberger, 2025

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